Northrop M2-F3von Roland Sachsenhofer (1:72 AMP - Accurate Model Parts)Die hier gezeigte M2-F2 vertritt eine exotische Klasse von Flugzeugen, die im Wesentlichen aus nur drei Maschinen besteht: der Northrop HL-10, der Martin Marietta X-24 und der hier gezeigten Northrop M2 F2 beziehungsweise M2-F3. Diese drei Konstruktionen waren als „lifting bodys“ ausgelegt, einem Konzept, das nicht mit dem eines Nurflügelflugzeugs verwechselt werden darf! Soll bei diesem möglichst jeder Rumpfanteil vermieden und die gesamte Oberfläche Teil des einen großen tragenden Flügels werden, so muss bei einem „lifting body“ der (meist sehr kompakte) Rumpf den gesamten Auftrieb übernehmen. Eine Tragfläche im eigentlichen Sinn gibt es dabei nicht. Man kann sich vorstellen, dass diese Vorgabe sowohl Konstrukteure wie Testpiloten vor vollkommen neue und gefährliche Herausforderungen gestellt hat. Verwertbare Computersimulationen gab es in diesen Tagen noch nicht, so musste alles im realen Geschehen und mit vollem Einsatz bewiesen werden- auch, dass manche Konzepte einfach nicht funktionierten. So verwundert es nicht, dass es mehr als den durchschnittlichen Mut eines Testpiloten bedurfte, sich in diese tonnenschwere, pfeilschnelle und höchst instabile Konstruktionen schnallen zu lassen, um in gut 12 Kilometer Höhe von der Trägermaschine ausgeklinkt zu werden. Die Anzahl der Nasa-Testpiloten, welche die Northrop M2-F2 dann auch tatsächlich flogen, blieb überschaubar und klein: vor allem die Namen von Milton Thompson (5 Flüge), Bruce Peterson (3 Flüge), Don Sorlie (3 Flüge) und Jerry Gentry (5 Flüge) sind mit dem M2-F2 Programm verbunden. Bei all diesen Herausforderungen liegt die Frage nah, wieso man eigentlich die Risiken eines derart extremen und potentiell gefährlichen Konstruktionsweise wie des „lifting bodys“ einzugehen bereit war! Seine Ursprünge hatte das Konzept in der Frage, wie Raumkapseln aus dem Erdorbit sicher auf die Oberfläche zurück kehren könnten. Die Bilder der an Fallschirmen pendelnden und auf dem Wasser aufschlagenden Mercury- Gemini- und Apollo Kapseln sind bekannt; sonderlich elegant sieht das alles nicht aus. Tatsächlich gab es zu Beginn der Entwicklung alternative Ideen, Raumkapseln landen zu lassen. Etwa, die Kapsel an einem Lenkschirm hängend gesteuert zu Boden zu bringen: tatsächlich ließ die Nasa Gemini-Kapseln versuchsweise an Rogallo-Lenkdrachen zur Erde gleiten. Eine zukunftsweisendere Idee war allerdings der Ansatz, ein wiederverwendbares Orbitalfahrzeug auf eigenem Fahrwerk landen zu lassen- bei den damit verbundenen hohen Überschallgeschwindigkeiten schien das Konzept eines flügellos Auftrieb erzeugenden Rumpfes vielversprechend, ja essentiell. Die ersten Versuche fanden 1963 mit der M2-F1, einer aus Holz gefertigten leichten Konstruktion statt, mit der die prinzipielle Machbarkeit des Ansatzes belegt werden konnte. Die Nasa gab nun bei Martin Marietta die X-24 und bei Northrop sowohl die HL-10 wie die M2-F2 in Auftrag. Diese glich der M2-F1 im Aussehen, nicht aber vom Gewicht und erreichter Geschwindigkeit. Alle diese Konstruktionen waren aus Metall, um die dreieinhalb Tonnen schwer und mit Raketenantrieben ausgestattet. Ab Juli 1966 wurde die M2-F2 erprobt, wobei sich rasch eine gefährliche Tendenz zur Instabilität um die Hoch- und Längsachse zeigte. In den folgenden 16 Flügen, die alle ohne Antrieb von einer Abwurfhöhe von 13 700 Metern aus durchgeführt wurden, erreichte der „lifting body“ maximal 750 km/h (Mach 0,707). Die Flugzeiten waren kurz und lagen meist unter vier Minuten- auch das ein Hinweis, wie rasend schnell abwärts es mit diesen Flugkörpern ging. Schon beim ersten Flug hatte Milton Thompson ernste Probleme, die M2-F2 um die Längsachse stabil und die Maschine steuerbar zu halten. Beim letzten Flug am 10. Mai 1967 brachte Bruce Peterson das schon bekannte hochfrequente Oszillieren und die ausufernden Rollbewegungen nicht mehr unter Kontrolle: mit noch nicht arretiertem Fahrwerk und aktivierten Bremsraketen traf die M2-F2 auf den Boden, überschlug sich mehrfach um die Längsachse und blieb auf dem Rücken liegen. Der schwer verletzte Peterson konnte gerettet werden, litt aber, obwohl später in das Flugprogramm der Nasa zurück gekehrt, ein Leben lang an den Folgen dieses dramatischen Unfalls. Dass die Aufnahmen seines beinahe tödlichen Crashs mit der M2-F2 in den Vorspann der erfolgreichen TV- Action-Serie „The Million Dollar Man“ aufgenommen wurde, soll Ihn, dem Vernehmen nach, alles andere als erfreut haben. Die zu einem guten Teil zerstörte M2-F2 wurde bei Northrop wieder aufgebaut und mit einem dritten Seitenleitwerk ausgestattet. Tatsächlich verbesserte diese Maßnahme die Längsstabilität, nichtsdestotrotz blieb die Maschine ein Garant für Nervenkitzel. Nun als M2-F-3 bezeichnet, erreichte die Maschine bei den nachfolgenden 27 Flügen unter Raketenantrieb mit 1712 km/h Mach 1,613 ihre maximale Geschwindigkeit. Ihr letzter Flug am 20. Dezember 1972 markierte mit 21 800 Kilometern erreichter maximaler Flughöhe auch einen weiteren, letzten „Höhepunkt“ der Karriere der Northrop M2-F3. 1973 übergab die Nasa die M2-F3 an das Smithsonian In Washington. Dort steht sie im Steven F. Udvar-Hazy Center unweit des Space-Shuttles Discovery, einer Nachfahrin und Nutznießerin der waghalsigen „lifting body“ Experimente der 1960er und 1970er Jahre. Zu Bausatz und Bauerlebnis Staunen und Vorfreude hielten sich auf hohem Niveau die Waage, als ich Anfang des Jahres auf diese Neuerscheinung von AMP getroffen bin- schneller war noch kaum ein Bausatz bestellt, ausgepackt und auf dem OP-Tisch gelandet! Der umtriebiger Hersteller AMP scheint ein Garant für exotische und dabei hochinteressante Vorbilder zu sein; noch dazu werden diese meist in qualitätvollen Kunststoff umgesetzt. Würde diese Einschätzung auch auf dieses kleine, aber dabei durchaus komplexe Modell zutreffen? Zum einen: der Bausatz bietet alles, um ein schöne Darstellung dieses exotischen Vogels umsetzen zu können! Makellose Kunststoffteile, eine kleine, sinnvoll bestückte Ätzteilplatine, Klarsichtteile, die diese Bezeichnung auch verdienen, ein Decalbogen, dessen bloße Ansicht schon Vorfreude auf das Applizieren der Schiebebilder macht, sowie und zu guter Letzt: ein detailreicher Schleudersitz aus Resin. Zum anderen: dem Bausatz könnten auch gleich eine Tube Spachtelmasse und ein paar Lagen Schleifpapier bei gegeben werden: man braucht durchaus einiges davon, um die im Bereich der Seitenflossen merkbare Passungenauigkeit auszugleichen. Beim Schleifen geht leider auch Viel der schönen Strukturen verloren, die dann nachgraviert werden müssen. Andererseits muss man sagen, dass sämtliche Kunststoffteile wunderbar und präzise strukturiert und mit stimmigen Details ausgestattet sind. Als Beispiel weise ich nicht nur den Fahrwerksbereich hin, sondern erwähne auch die Darstellung des Klappensystems am Heck. Diese können noch dazu in verschiedene Stellungen gebracht werden, was angesichts des Vorbilds auch durchaus Sinn macht. Nicht ganz ernst nehmen sollte man jenes unförmige Stück Kunststoff, das AMP als Pitot-Rohr für die Bugspitze vorsieht. Dieses habe ich aus zwei ineinander gesteckte Messingröhrchen und ein paar Zutaten aus der Ätzteil-Restekiste ersetzt. Zusammenfassend kann ich also sagen, dass sich der Bau der M2-F2, ganz im Gegensatz zu seinem realen Vorbild, als völlig gefahrloses Abenteuer herausstellt. Dieser M2-F2 (oder F3, diese ist ebenfalls darstellbar) kann man sich ohne Bedenken und mit der Aussicht auf eine sichere, unfallfreie Landung in der Vitrine, anvertrauen! Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: Roland Sachsenhofer Publiziert am 25. September 2025 © 2001-2025 Modellversium Modellbau Magazin | Impressum | Links |