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Handley Page Halifax B.III

Der Bomber von Oeffingen

von Jürgen Baumgart (1:72 Airfix)

Handley Page Halifax B.III

26. July 1944

Ein Verband von 150 Halifax der 431. Squadron der Royal Canadian Air Force hat den Auftrag, in den frühen Morgenstunden Stuttgart anzugreifen. Dabei ist auch die Halifax MZ858 mit der Staffelkennung SE und dem Flugzeugbuchstaben Y, eine Mk.III (mit Bristol-Hercules-Sternmotoren), die in Croft (Grafschaft Yorkshire) gestartet war.

Diese Maschine ist eine von jenen, die in dieser Nacht von der schweren Flak östlich von Stuttgart getroffen wird. Sie stürzt auf ein Feld nahe der Ortschaft Oeffingen, ca. 10km nordöstlich von Stuttgart.

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Von den sieben Mann Besatzung werden der Heckschütze und der Schütze im oberen Turm durch den Flaktreffer getötet, dem Rest der Besatzung gelingt der Absprung. Von den fünf Überlebenden geraten vier in Kriegsgefangenschaft, einer kann sich wieder zurück nach England durchschlagen.

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Die folgenden Fakten konnten anhand der website www.bombercrew.com ermittelt werden. Dort finden sich detaillierte Fakten, u.a. bei 431 squadron Bilder von Wing Commander H.R. „Hank" Dow und Bombenschütze DJ Frauts.

Gestartet war das ca. 25 Tonnen schwere Flugzeug auf dem kanadischen Stützpunkt Croft in der Grafschaft Yorkshire in Nordengland. Der Flugplatz Croft war während des Krieges einer der kanadischen Stützpunkte, wurde nach dem Krieg noch kurze Zeit weiterbenutzt, dient aber heute friedlicheren Zwecken, nämlich als Autorennstrecke. Der Rennsportclub führt aber immer noch das nach dem Abzug der kanadischen Flieger übernommene Wappen der 431 Squadron (Iroquois) mit dem Motto „Hatiten Ronteriios" (Kämpfer der Lüfte) und dem Indianerkopf als Andenken. Ein Bild dieses Flugplatzes von 1944 findet man auch im Internet.

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Pilot des Bombers war Staffelkommandeur H.R. "Hank" Dow aus Toronto, Ontario, der zu diesem Führungsposten von Kameraden aus seinen eigenen Reihen vorgeschlagen wurde. Er hatte diesen Posten aber lediglich ca. sechs Wochen bis zu seinem Abschuss und der nachfolgenden Kriegsgefangenschaft inne.

Mit ihm waren noch sechs andere Kameraden an Bord, dies waren im Einzelnen:

  • F/L R.M. Martin (Squadron Engineer Leader, Kriegsgefangener)
  • F/O K.W. Jones, RCAF (Kriegsgefangener)
  • F/O D.J. Frauts, RCAF (Kriegsgefangener)
  • P/O H.J. Douglas (verletzt, in Krankenhaus eingeliefert)
  • P/O R.G. Carter, RCAF (getötet)
  • P/O E.A. Parker (getötet)

Für die beiden getöteten Bordschützen wurden mittlerweile u.a. auch virtuelle Gedenksteine im Internet errichtet.

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Der Website "Lost Bombers" kann man folgende Details des Abschusses entnehmen:

Halifax MZ858 (SE-Y), Ziel Stuttgart, 25/26. Juli 1944. Dieses Flugzeug wurde an die Staffel um den 14. Juli 1944 herum geliefert.

Start um 21:11 Uhr (23:11 MEZ), 25 Juli 1944 in Croft (Yorkshire). Abgeschossen von der Flak, Absturz bei Öffingen. Beide Bordschützen beerdigt auf dem Duerenbacher Kriegsfriedhof (Tegernsee).

Das Schriftstück 181.001 D.24 des „Direktorats zur Geschichtsbewahrung" enthält Dows Befragung zum „Verlust eines Bombenflugzeugs", basierend auf einem Gespräch am 27. Mai 1945. Nachfolgend die Schilderung des Piloten:

„Unauffälliger Flug zum Ziel, wo wir etwas zu früh ankamen, ca. 1 ½ Minuten, kreisten dann bis zur exakten Zielankunftszeit, bombardierten entsprechende Leuchtmarkierungen und waren gerade wieder auf Heimatkurs, als wir mittig von Flak getroffen wurden.

Feuer breitete sich durch das Flugzeug aus, dieses füllte sich sofort mit Gasen, Flammen und Rauch. Ich gab den Befehl abzuspringen, erhielt aber keine Antwort von den Bordschützen des mittleren oberen sowie des hinteren Turmes.

Ich folgte den übrigen Besatzungsmitgliedern durch die vordere Absprungluke.

Abstieg ereignislos und sichere Landung in einem Rübenfeld.

Das Flugzeug war ausgetrimmt und flog noch recht gut geradeaus, auch als ich die Steuerung verließ, und ermöglichte dadurch problemloses Herauskommen.

Das Feuer im Flugzeugrumpf machte es unmöglich, zu den beiden Bordschützen im hinteren Teil zurückzugehen, es war ungefähr bis auf Höhe des Cockpits nach vorne gekommen."

Ergänzend hier die Befragung des Navigators, Fliegeroffizier Kenneth William JONES, vom 9 May 1945. (Er brach sich die Schulter bei der Landung in einem Baum):

„Wir waren ca. 23:00 Uhr in der Luft mit dem Ziel Stuttgart (Hauptwelle). Bombenlast und Zusatztanks entsprechend der extremen Länge des Einsatzes. Normaler Flug zum Ziel, obwohl das H2S unbenutzbar war (das H2S war ein Bodenradar und diente als Navigationsunterstützung, es lieferte ein rudimentäres Abbild der überflogenen Gebiete auf einen Bildschirm).

Zielankunft, Bombenwurf, waren etwa 2 Minuten auf Rückflug als wir von Flak getroffen wurden.

Höhe 18000 Fuss (ca. 5700 Meter). Einziger Hinweis für den Navigator war zuerst ein Ruck, dann die Warnung des Piloten „fertigmachen zum Absprung" und das Auftreten von Rauch in der Nase, der vom Zentrum des Flugzeugs kam. Hatte keine Ahnung des Ortes oder des Ausmaßes des Schadens. Der Pilot meldete dann, dass wir brennen und gab die Anweisung unverzüglich abzuspringen."

Auch heute noch, 69 Jahre nach dem Ende des Krieges, gibt es immer noch erhebliche Auswirkungen dieser schlimmen Zeit, man denke nur an die mit schöner Regelmäßigkeit auftretenden Bombenfunde und -entschärfungen mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen.

Fundstücke von MZ 858 – Anschlüsse Sauerstoffleitung, Temperatur- und Drehzahlmesserskalen, Ruderaufhängung und Projektil.
Fundstücke von MZ 858 – Anschlüsse Sauerstoffleitung, Temperatur- und Drehzahlmesserskalen, Ruderaufhängung und Projektil.

1981

Ein Freund, mit dem ich damals zusammen im ortsansässigen Musikverein spielte, und der sich auch schon zu dieser Zeit lebhaft mit der Zeit des 2. Weltkriegs auseinandersetzte, erzählte mir, dass ihm jemand einen möglichen Absturzort eines Flugzeugs beschrieben hätte. Daraufhin machten wir uns zu viert an einem Wochenende zu dieser Stelle auf, um zu sehen, ob es da noch irgendwelche Spuren gebe.

Zu unserer Überraschung war dort alles voller Aluminiumblechschnipseln, Plexiglassplittern, Gussteilen, Kabeln, Gummistücken, auch Projektile und leere Hülsen vom Kaliber 7,62 mit Aufschrift des Herstellungsjahrs 1944 waren dabei. Mehrere Wochenenden waren wir auf der Suche, dabei kamen insgesamt ca. 100kg Metallteile zusammen.

Die interessantesten Fundstücke waren:

  • Skala des Bombenzielgeräts
  • Skala vermutl. des Funkgeräts
  • (Diese Halifax hatte zu dieser Zeit schon das sogenannte H2S-Radar unter dem Rumpfbauch montiert, das es dem Navigator schon damals ermöglichte, ein rudimentäres Bild vom Gelände unter ihm zu erhalten)
  • Skala des Drehzahlmessers
  • Skala des Öltemperaturanzeigers

An manchen Stücken waren noch Reste von schwarzer, grüner bzw. gelber Farbe erhalten.

Um an Infos über dieses Flugzeug zu kommen, wandten wir uns mit Fotos verschiedener Fundstücke an das RAF Museum in London, welches die Anfrage an das Ministry of Veterans Affairs weiterleitete. Recht schnell bekamen wir die Auskunft, dass es sich bei diesem Flugzeug um die in der Nacht des 25./26.Juli 44 abgeschossene Halifax MZ858 handelt. Neben Einsatzplan der betreffenden Nacht und Besatzungsliste wird uns mitgeteilt, dass unser Brief an ein noch lebendes Besatzungsmitglied weitergeleitet wird. Adressen von Besatzungsmitgliedern dürfen uns naturgemäß keine übermittelt werden.

Kurz darauf kam dann aber auch schon ein Brief von Mr. D.J. Frauts, dem Bombenschützen, in dem er uns nähere Infos wie Flugzeugkennzeichen, Stationierungsort und Bewaffnung übermittelte.

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2013

Endlich habe ich es geschafft, aus der Airfix-Halifax im Maßstab 1:72, deren Bausatz ich mir ca. 1980 zulegte, ein ansehnliches Modell fertig zu bauen. Das Resultat ist naturgemäß wesentlich besser mit ein paar Jahrzehnten Erfahrung, als wenn ich das Flugzeug damals schnell-schnell zusammengebaut hätte.

Die größten Änderungen beim Bau nach dem Wälzen von vielen Originalfotos waren:

  • Die zu großen Nieten wurden heruntergeschliffen.
  • Das Cockpit wurde gesupert, Gashebel und Mixerhebel aus gezogenen Gussästen eingeklebt.
  • Das I-Brett des Bordingenieurs wurde mit selbst hergestellten (ausgedruckten) s/w Instrumenten angedeutet.
  • Die Cockpitverglasungen hinten und vorne sowie die Bugverglasung und die Verglasung des Rumpfrückenturms wurden neu tiefgezogen.

Im Funkerraum hinter dem Cockpit wurden Streben eingezogen. Die Verspachtelung der Cockpit/-Funkraumverglasungen erfolgte mit Carlofon-PU-Paste. Hier musste vielfach nachgearbeitet bzw. vorsichtig geschliffen werden, dieser Bereich war eine Katastrophe und erforderte sehr viel Zeit. Absolut toll dagegen ist das Vickers-Bug-MG, da muss ich Airfix sehr loben!

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Etwas stolz bin ich auf die Fertigungsmethode für die drei Rahmen unten an der Bugverglasung: Zuerst habe ich von der 3-Seiten-Ansicht eines Aerodata-Heftes Scans gemacht und ausgedruckt. Dann Buchen-Rundstäbe in die entsprechende Rahmenform gefeilt und um diese Stäbe herum Silberdrähte geformt und deren Enden zusammengelötet. Diese so geformten Silberdrähte in zwei ebenen Stahlplatten im Schraubstock flachgepresst - fertig. Die so vorgefertigten Rahmen wurden schwarz lackiert und mit Weißleim auf die Bugverglasung aufgeklebt. Diese Methode hat den Vorteil, dass man nach der Fertigung nochmal mit der Zeichnung vergleichen und evtl. Ausschuss aussortieren kann. Der Silberdraht ist bei mir mittlerweile zum unentbehrlichen Universal-Utensil geworden.

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Die Haubenstreben habe ich aus schwarzem Coroplast-Isolierband gefertigt. Mit einem neuem scharfem Messer schmale passende Streifen geschnitten (vorher angeschliffen wg. lackieren) und ebenfalls nach Zeichnung auf die Haube aufgeklebt bzw. passend abgelängt. Danach lackiert. Auch hier kann man gut korrigieren, da sehr elastisch.

Das fehlende Kamerafenster unten hinter der Bugverglasung wurde zusätzlich eingearbeitet.

Passende Abziehbilderbögen wurden in England geordert. Die Kokarden und die SLW-Markierungen wurden auflackiert.

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Eine neue Methode fiel mir für die Positionslichtverglasungen an den Randbögen der Flügel ein: Sie wurden mit Silber aufgebracht und ins noch nicht ganz trockene Silber ein einziger Pinselstrich mit dünnem glänzend Schwarz diagonal darübergezogen: Ergibt einen erstaunlich echt wirkende 3D-Effekt!

Nach vielen Stunden des Schleifens und Spachtelns und einigen Griffen in die Trickkiste steht dieses Flugzeug nebst Fundstücken nun als Mahnmal an diese dunkle Zeit in meiner Vitrine.

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Jürgen Baumgart

Publiziert am 10. September 2014

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