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Convair SM-65D Atlas

von Roland Sachsenhofer (1:72 Horizon Models)

Convair SM-65D Atlas

Wie schreibt man über ein Modell, das eine Massenvernichtungswaffe zum Gegenstand hat? Die Convair SM-65 Atlas war die erste Interkontinentalrakete, die dem Strategic Air Command (SAC) der US Air Force ab 1959 zur Verfügung gestanden hat. Sowohl die teils chaotische und von Fehlschlägen begleitete Entwicklung wie auch die kurze Einsatzzeit – schon 1965 sollten die Atlas von ICBMs der zweiten Generation abgelöst werden - machen deutlich, wie viel unbekanntes technisches Neuland dabei erst erforscht werden musste.

Convair SM-65D Atlas

Schon 1946 begannen bei Convair auf Grundlage einer Forderung der USAF erste Planungen zum Bau einer Interkontinentalrakete mit großer Reichweite. Die Umsetzung der damals noch reichlich utopisch scheinenden Forderungen hatte zu dieser Zeit keine allzu große Priorität. Das sollte sich allerdings schlagartig ändern, als bekannt wurde, dass die Sowjetunion nicht nur das Atomwaffenmonopol der USA geknackt, sondern allem Anschein nach auch die Entwicklung einer eigenen ICBM erfolgreich aufgenommen hatte. Jahre intensivierter Aktivitäten folgten, die im Juni 1957 schließlich zum Start einer ersten Convair Atlas-A führten - dieser erwies sich allerdings als desaströser Fehlschlag. Einen Monat später, im August 1957, startete die UdSSR mit der R-7 Semyorka ihre erste Interkontinentalrakete erfolgreich.

Convair SM-65D Atlas

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Nun war aus Sicht der USA tatsächlich Feuer am Dach. Neben der als real wahrgenommenen militärischen Bedrohung hatte Amerika vor dem Hintergrund der beschämenden „Sputnik –Krise“ des Jahres 1956 eine weitere propagandistische Schlappe eingefahren. Technologisch war die kommunistische Sowjetunion allem Anschein nach dabei, den USA davonzuziehen. Mit erneuerter Anstrengung gelang im Dezember schließlich doch noch ein erster erfolgreicher Start einer Atlas Trägerrakete. Sieben weitere Flüge folgten, von denen immerhin fünf erfolgreich abgeschlossen wurden. Nachdem die Zeit drängte, wurde die Atlas im Anschluss an diese Testreihe als ausreichend zuverlässig erklärt und in Form der verbesserten Altlas D vom SAC in den Dienst übernommen. Die durchwachsene Quote erfolgreicher Starts hatte der Atlas zwischenzeitlich eine neue ironische Deutung der Abkürzung „ICBM“ eingebracht: „inter-county ballistic missile“.

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Die Atlas D - hier im Modell gezeigt - war jedenfalls die erste einsatzfähige ICBM der USAF: die 576th Strategic Missile Squadron, 704th Strategic Missile Wing betrieb als erste Air Force-Einheit drei dieser neuen ICBMs von der kalifornischen Luftwaffenbasis Vandenberg aus. Deren drei Raketen waren stehend auf ihren Startpattformen platziert, jeweils eine davon wurde für den sofortigen Abschuss bereit gehalten. Noch im selben Jahr wurden die 389th Strategic Missile Wing in Wyoming sowie die 385th Bombardment Wing in Nebraska mit mehreren SM-65 Atlas ICBM ausgerüstet. 

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In diesen Tagen lag der Schwerpunkt das SAC noch auf der Schlagkraft ihrer Atombomber; die ICBMs sah man eher als Absicherung für den Fall, dass es dem Gegner gelingen würde, die Flugzeuge auf ihrer Basen zu vernichten. Die Startvorbereitungszeit einer Atlas D betrug etwa eine Viertelstunde, da die Raketen nur voll betankt eigenstabil stehen konnten und mit entleerten Tanks  horizontal gelagert werden mussten. Die SM-65 D wurde schon 1964 aus dem aktiven Dienst genommen, die verbesserten Versionen E und F, 1961 und 1962 eingeführt, dienten nur ein Jahr länger, bevor sie in ihrer Rolle von den Titan- und Minuteman Trägerraketen der zweiten ICBM-Generation abgelöst wurden.

 

Convair SM-65D Atlas

Technisch und insbesondere konstruktiv ist die SM-65 Atlas eine recht kurioser Entwurf: um radikal Gewicht einzusparen, hatte man bei der Konstruktion des als Tank dienenden Raketenkörpers den ungewöhnlichen Weg beschritten, diesen als „Ballon-Tank“ zu konzipieren. Das bedeutet, dass der aus dünnem Niro-Blech geformte Raketenkörper nur durch Innendruck des eingefüllten Treibstoffes Stabilität und Festigkeit gewinnt. Leer würde eine Atlas unter dem eigenen Gewicht kollabieren! Wie extrem das Gewichtsverhältnis zwischen betankter und leerer Atlas ausfiel, machen folgende Zahlen deutlich: startbereit – ohne Nutzlast - drückte eine Atlas mit 116 Tonnen Masse auf den Boden, leer dagegen mit nur mit gut 5,4 Tonnen, rechnet man noch die im Flug abgeworfenen Booster-Triebwerke weg, ergeben sich gar nur mehr 2,3 Tonnen Leergewicht: das sind nur erstaunliche 2,02 Prozent des ersten Wertes! Dieses geringe Trockengewicht ermöglichte der Atlas D den Orbitalflug mit einer maximalen Reichweite von 14.500 Kilometern.

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Das geringe Leergewicht ermöglichte auch das Layout als „eineinhalbstufige“ Rakete: die beiden seitlich montierten Booster-Triebwerke wurden nach gut zwei Minuten Flugzeit abgeschaltet, von den Treibstoffleitungen abgekoppelt und  über eine Abgleitvorrichtung von der Rakete gelöst.

Das Haupttriebwerk mit 35 Tonnen Schub, ein Rocketdyne LR-105 Raketentriebwerk, wurde von den Booster-Triebwerken, zwei schubstärkeren LR-89 Aggregaten, flankiert. Diese leisteten je 74,8 Tonnen Schub. Der Aufstieg wurde außerdem durch zwei seitlich am Rumpf angebrachte Rocketdyne LR-101 Steuerdüsen stabilisiert. Fielen diese aus, konnte auch mit den steuerbaren Booster-Düsen Kurskorrekturen durchgeführt werden. Bis zur Atlas D erfolgte die Steuerung per Funk vom Boden aus, die Atlas F dagegen hatte schon die Fähigkeit zu weitgehend autonomer Kurssteuerung. Angetrieben wurde die Atlas mit dem Raketentreibstoff RP-1, einem speziell raffiniertem Kerosin, zu dessen Oxydation wurde Flüssigsauerstoff eingesetzt.

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Als Interkontinentalrakete bestückt, trug die SM-65D entweder einen nuklearen Gefechtskopf W49 innerhalb der Verkleidung eines G.E. Mk.2 oder Mk.3 RV (Re-entry Vehicle) mit 1,44 Megatonnen beziehungsweise einen W38 Sprengkopf mit 3,75 Megatonnen Sprengkraft.

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Rund 350 Atlas der D-, E- und F-Serie wurden gebaut, wobei auf dem Höhepunkt ihrer Verbreitung bis zu 129 Atlas ICBM gleichzeitig für den nuklearen Schlagabtausch bereitstanden. Zahlreiche der ab 1965 nicht mehr gebrauchten Atlas-Raketen wurden anschließend im Raumflugprogramm der Mercury-Reihe verwendet (und damit aufgebraucht) In gewisser Weise ein Lichtblick, bedenkt man, dass damit der Zweck der SM-65 Atlas vom Wahnsinn der Auslöschung der Menschheit zur zukunftsvollen Erforschung des bemannten Raumflugs umorientiert worden ist. Im Übrigen liegt darin auch ein Grund für den Bau dieses Modells: Horizon Models bietet neben der militärisch genutzten Atlas auch einen Bausatz zur Atlas-Rakete der „Mercury Seven“. Nachdem beide Varianten sich im Wesentlichen nur in ihrer Nutzlast unterscheiden, hat mich ein im Modell gebauter Vergleich interessiert.

Zu Bausatz und Bauprozess

Raketenantrieb mit all dem dazugehörenden Drama an Feuer, Donner, Rauch und der gewaltigen, auf kurze Zeit geballten Energieabgabe haben mich stets fasziniert. So war ich recht erfreut, als ich auf das breit gefächerte Angebot des australischen Herstellers Horizon Models gestoßen bin. Deren Bausätze konzentrieren sich auf die Geschichte der frühen US-Raumfahrt, insbesondere auf das Mercury-Programm. So hat man mit den unterschiedlichen Bausätzen die Möglichkeit, mehrere Mercury Redstone- und Atlas-Kombinationen zu bauen.

Convair SM-65D Atlas

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In der attraktiv gestalteten Schachtel findet man gut gemachte und detailreich recherchierte Kunststoffteile. Diese und die beiliegende Ätzteilplatine sowie die gut gemachte Bauanleitung vermitteln den Eindruck hoher Qualität und engagierten Interesses am Vorbild: diese Leute wissen, was sie tun.

Convair SM-65D Atlas

Der Bau des Modells erfolgte, wenig überraschend, zügig und ohne Komplikationen. Nur in der Abfolge von Zusammenbau, Bemalung und dem Aufbringen der Decals muss mitgedacht werden: hier sollten an einigen Stellen zuerst die Decals angebracht werden, bevor etwa außenliegende Rohrleitungen befestigt werden.

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Die Farbgebung des in allerlei Schattierungen und Spiegelungen schimmernden Niro-Raketenkörpers war mir ein besonderes Anliegen. Hierbei wurde, wie bei solchen Herausforderungen bei mir üblich, auf die Metallfarbenpalette von Alclad zurückgegriffen.

Convair SM-65D Atlas

Ohne wirklich eine Antwort auf die Frage, mit dem ich diesen Artikel eröffnet habe, gestoßen zu sein, freue ich mich jetzt schon, nach dieser militärisch genutzten SM-65 bald ein zweites Atlas-Modell als Vergleich präsentieren zu können: jene Marcury-Atlas Kombination, die John Glenn zum ersten Raumflug eines Amerikaners in den Erdorbit getragen hat, wird Inhalt eines folgenden Beitrags sein.

Convair SM-65D Atlas

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Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates.

Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at

Roland Sachsenhofer

Publiziert am 02. Januar 2024

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