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AG-4 Crusader

von Roland Sachsenhofer (1:72 AviS)

AG-4 Crusader

Zum Vorbild

Zwei Leitwerksträger, die von scheibenförmigen Seitenrudern abgeschlossen werden und Richtung Bug aerodynamisch sauber in die Verkleidungen zweier Reihenmotoren übergehen, in ihrer Mitte eine tropfenförmige Gondel für die Besatzung: kennt man diese Auslegung denn nicht schon - als P-38 Lightning? Der Anblick der AG-4 Crusader weckt interessante Analogien, und das, wie weiter unten am Ende einer spannenden Geschichte zu lesen sein wird, vielleicht nicht ganz ohne Grund.

Der Anblick der Crusader weckt über diese Analogie hinaus noch eine weitere Assoziation: Modernität! Führt man sich das Datum des Erstflugs vor Augen, darf man ob dieser ambitionierten Ansammlung innovativer Elemente schon erstaunt sein. Im April 1935 hob das elegante Ganzmetallflugzeug zu seinem Jungfernflug ab. Dem waren Monate intensiver Planungsarbeit des Luftfahrtingenieurs Thomas Miles Shelton vorausgegangen, der gut ein Jahr zuvor von Edgar R. Holmes, General Manager der American Gyro Company, beauftragt worden war, ein viersitziges Geschäftsreise- und Sportflugzeug zu entwickeln.

AG-4 Crusader

Die American Gyro Company hatte selbst nichts mit der Entwicklung von Flugzeugen zu tun, sondern produzierte Zurüstteile wie etwa Zündkerzen für General Motors. Vielleicht war es ein Glücksfall, dass der junge Ingenieur Thomas M. Shelton unbelastet von den Traditionen und womöglich allzu starren Sichtweisen eines etablierten Flugzeugherstellers ans Werk gehen konnte: mit der Konzeption der AG-4 Crusader bewies er jedenfalls nicht nur Mut, sondern auch Weitsicht.

Vom zugrundeliegenden Layout bis zu Details brachte der „Crusader“ getaufte Entwurf modernste Technik zum Einsatz: Zelle wie Tragflächen waren als mit Aluminuim beplankte selbstragende Halbschalen ausgelegt, wobei die Metallverkleidung ebenfalls tragende Funktion hatte. Das dafür verwendete Metall bestand aus der Speziallegierung 17 ST, dieses wurde mit versenkten Nieten aufgebracht. Bemerkenswerterweise waren auch die Ruderflächen mit Metall beplankt, ein Merkmal, das sich für Hochleistungsflugzeuge erst Mitte der 40er Jahre durchsetzen sollte. Die Räder des Hauptfahrwerks waren pneumatisch gebremst, das am Heck der Gondel angebrachte Heckrad konnte per Seilzug gelenkt werden. Nach dem Erstflug wurde die einzelne gebaute AG-4 übrigens auf ein einziehbares Fahrwerk umgebaut, eine weitere Innovation, die sich positiv auf ihre Flugleistungen auswirken konnte.

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Hat sich dieses Vertrauen in vielversprechende, aber weitgehende unerprobte Technik und Technologie nun auch bezahlt gemacht? Eine Antwort darauf geben die Flugleistungen - und diese sprechen eine eindeutige Sprache! Die in 2.000 Meter Höhe gemessene Höchstgeschwindigkeit von fulminanten 375 km/h machten die AG-4 zu einem wirklich „heißem Eisen“; jedenfalls war sie mit Abstand schneller als alle damaligen Jagdflugzeuge des USAAC - und somit eines der schnellsten US-Flugzeuge ihrer Zeit. Geschwindigkeit und Agilität verdankte sie ihrer gewichtsparenden Ganzmetall-Halbschalenbauweise, eine Technik, die zeitgleich etwa auch von „Leichtgewicht-Papst“ Willy Messerschmitt bei der im selben Jahr zum ersten Mal geflogenen Bf 109 in Deutschland angewendet worden ist. Die Gipfelhöhe von 5.500 Metern erreichte die Crusader in 20 Minuten, der Inhalt der Tanks, 189 Liter, bot genug Treibstoff für drei Stunden Flugzeit, was eine Reichweite von gut 900 Kilometern bedeutete, das Ganze bei einer maximalen Nutzlast von 450 kg. Zusammenfassend darf man also sagen, nicht schlecht für ein Sportflugzeug anno 1934!

Bei derart glänzenden Leistungen stellt sich die Frage, warum es bei nur einer gebauten AG-4 Crusader geblieben ist. An mangelnder Kenntnisnahme durch die Flugwelt wird es nicht gelegen haben, immerhin nahmen Größen wie William Randolph Hearst jr., Howard Hughes oder auch Emilia Earhart den schnittigen Viersitzer in interessierten Augenschein. In Augenschein wurde das Flugzeug aber auch nachweislich von Technikern von Lockheed genommen. Will man den zahlreichen Erzählungen, die sich bald um die AG-4 Crusader rankten, trauen, wurde das Flugzeug bei diesen Gelegenheiten von den Lockheed-Leuten auch gründlich vermessen. Das bietet nun den angekündigten Bezug zur eingangs angeführter optischer Ähnlichkeit mit der Lockheed P-38 Lightning: die Nähe der beiden Konstruktionen wäre, dieser Geschichte folgend, so nicht nur oberflächlich und eben auch nicht zufällig, sondern ein Zeichen technologischer Verwandtschaft. Eine weitere Facette bekommt diese schillernde Geschichte durch den gescheiterten Patentantrag des Ingenieurs Thomas M. Shelton für das an der Crusader verwirklichte Konzept einer zweimotorigen Auslegung mit zwei Leitwerksträgern und zentralen tropfenförmiger Kanzel.

AG-4 Crusader

Die Anwälte von Lockheed wie jener der Hughes Aircraft Corporation legten gegen eine Patentierung Einsprüche ein - und Sheltons Antrag wurde tatsächlich abgelehnt. Einfluss nahm dabei auch die US-Regierung, die sich im Namen der nationalen Sicherheit ebenfalls gegen die Ausstellung eines Patents stark gemacht hatte.

Zur Vermarktung der AG-4 Crusader gründete die American Gyro Company eigens eine Tochtergesellschaft, die Crusader Aircraft Corporation. Diese blieb in ihren Aktivitäten jedoch glücklos. 1936 scheiterte ein erster Rettungsversuch: die Konstruktionsunterlagen der AG-4 sowie jene einer vergrößerten siebensitzigen Version sollten an die Timm Aircraft Company verkauft werden, aber auch dieses Geschäft kam nicht zustande. 1938 war dann endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht: die Crusader Aircraft Corporation war bankrott und musste Konkurs anmelden.

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Auch wenn das Wagnis eines ambitionierten Geschäftsreiseflugzeuges geschäftlich schlussendlich ein Misserfolg werden sollte, hat die AG-4 Crusader doch ihre Spuren in der Geschichte der Fliegerei hinterlassen. Für Thomas Miles Shelton ging ein erfolgreiches Leben als Luftfahrtingenieur weiter; so war er in späteren Jahren noch an der Entwicklung der SR-71 Blackbird beteiligt. Seinen Frieden mit Lockheed dürfte er damals schon gemacht haben!

Zu Bausatz und Bauprozess

Eine der schönsten Qualitäten des Bausatzes von Avia ist: seine bloße Existenz! Wer hätte vorhersagen können, dass es von einem solch exotischen Flugzeug je einen Polystyrol-Bausatz geben würde? Nebst dem erfreuen die Kunststoffteile aber auch durch eine weitere wesentliche Qualität: ihre grundsätzliche Verwendbarkeit!

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Natürlich ist einiges an Vorbereitung sowie Mehrarbeit und Improvisation bei der Durchführung eines solchen short-run Bausatzes zu investieren. Hier denke ich vor allem an die vielen Passproben, bei denen einzelne Teile doch schwer bearbeitet werden mussten, um zu einem brauchbaren Sitz zu gelangen. Vor allem betrifft dies die Heckausleger und die Motorgondeln.

Bezüglich der Heckausleger muss auf eine heftige Schwierigkeit hingewiesen werden, die, nicht beachtet, den gesamten Bau gefährden kann: bitte unbedingt den Winkel kontrollieren, in dem die beiden Rumpfausleger in Bezug zur Längsachse des Flugzeuges an die Tragflächen montiert werden! Fällt dieser Winkel nämlich zu flach aus, erreicht das am Gondelende montierte Heckrad den Boden nicht mehr, das Flugzeug würde auf den beiden Heckflossen aufsitzen. Der Bauplan gibt keine Hinweise auf diese Gefahr und auch aus der Passung der Teile resultiert keine verbindliche Vorgabe dazu. Hier also ganz genau überlegen und kleben!

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Als Verbesserung habe ich die Auspuffrohre gegen solche aus hohlem Messingrohren ausgetauscht sowie die ebenfalls zu weiche Form der Propellerblätter und Propellerspinner nachgeschärft. Die beiden Zweiblatt-Props kamen dann mittels Bohrung auf einen Metalldraht zu sitzen. Durch dieses Arrangement konnte ich die Bemalung angenehm komfortabel durchführen, zudem verbesserten die Drahtstifte dann auch den Sitz der Props am fertigen Modell.

Eine gediegene Vorbildrecherche macht sich bei der AG-4 Crusader besonders bezahlt, da die Bauanleitung einige wichtige Details schlichtweg verschweigt. Dies bezieht sich vor allem auf die Ruderausgleichsgewichte, die zwar für die Querruder als (völlig unbrauchbare) Bausatzteile beiliegen, aber auch an allen anderen Ruderflächen vorzufinden sind. Diese müssen also improvisiert werden. Ich habe dies mittels „aerodynamischen Flachdraht“ aus dem Bereich der Doppeldecker-Verspannung sowie einem Tropfen Weißleim durchgeführt. Zieht man mit etwas Gefühl den mit einem Zahnstocher auf ein Drahtende aufgebrachten Weißleimtropfen nach hinten weg - und wiederholt man den Vorgang bis zu einem brauchbaren Ergebnis oft genug - ergibt sich mit etwas Glück und Erfahrung eine brauchbare aerodynamische Form des Gewichts.

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Improvisation ist aber auch bei dem prominenten Pitot-Rohr am oberen Bug der Gondel angesagt, sowie bei der Darstellung der Steuerdrähte des Höhenruders, die aus dem oberen Gondelheck an die beiden Ruderhörner (die ebenfalls aus flachen „Aero“-Draht gescratcht worden sind) geführt werden.

Auf die Lackierung der AG-4 Crusader habe ich mich schon den ganzen Bau über gefreut: verwendet wurde dazu „Bronze“ von Alclad, was sich erstaunlich komfortabel und ohne Probleme durchführen ließ. Um den mir richtig scheinenden Glanzgrad zu erzielen, kamen abschließend mehrere Lagen glänzenden und glänzend/matten Klarlacks von Gunze auf die Oberflächen.

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Wie man den oben stehenden Zeilen entnehmen kann, steckte doch ein wenig Aufwand in diesem kleinen Modell. Eines war beim Abschluss des Projekts aber durchaus riesenhaft geworden: die Freude an einem außergewöhnlichem Projekt mit interessanter Geschichte sowie an dem kleinen, metallisch leuchtenden Glanzpunkt in der Vitrine - in Bronze!

AG-4 Crusader

Wenn Ihr Euch selbst ein Bild vom Bausatz und dem Bauprozess machen möchtet, kommt Ihr hier zu einem ausführlichen Baubericht auf „Scalemates“. Wie immer stehe ich für Anregungen und Fragen offen: ro.sachsenhofer@gmx.at

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Roland Sachsenhofer

Publiziert am 31. März 2023

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